Haushalt

Kommunalaufsicht stoppt seit Jahrzehnten rechtswidrige Haushaltspraxis in Boppard

In den vergangenen Jahrzehnten war dies in der Stadt Boppard gängige Praxis. Die Ortsvorsteher beziehungsweise die Ortsbeiräte verfügten über sogenannte Dispositionsmittel, zu denen die Kommunalaufsicht nun nach Abstimmung mit dem Ministerium des Inneren und für Sport mitgeteilt hat: „Die bisherige Veranschlagung dieser Dispositionsmittel im Haushaltsplan der Stadt Boppard ist jedoch nicht mit den gemeindehaushaltsrechtlichen Grundsätzen vereinbar.“

An die Aufsichtsbehörde gewandt hatte sich Boppards Bürgermeister Jörg Haseneier am 19. August 2022 mit einem Schreiben, in dem er um eine Klärung des Sachverhalts gebeten hatte. Ausschlaggebend dafür war die in 2021 öffentlich geführte Diskussion um die Küchenkasse in Bad Salzig. Boppards Altbürgermeister Dr. Walter Bersch hatte Strafanzeigen erstattet, die sich gegen den früheren Ortsvorsteher von Bad Salzig, Wolfgang Spitz, und den Ortsvorsteher des Höhenorts Buchholz, Rudolf Bersch, gerichtet hatten. In Bad Salzig ging es um die sogenannte Küchenkasse und Einnahmen aus Festen, in Buchholz um Bareinnahmen aus der Vermietung des Gemeindehauses, die nicht zeitnah eingezahlt worden waren. Die Staatsanwaltschaft ermittelte. Beide Verfahren wurden eingestellt.

Weil die betroffenen Ortsvorsteher Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses sind und sich als Stadtratsmitglieder selbst entlasten konnten, durften sie wegen Befangenheit seither keine Kassenprüfungen mehr vornehmen. Die Kommunalaufsicht hatte die entsprechenden Abstimmungen beanstandet. Da sich der Sachverhalt bei den oben genannten Dispositionsmitteln ähnlich gestaltet, war eine rechtliche Klärung erforderlich. Ein Koordinierungsgespräch der Aufsichtsbehörde mit den Ortsvorstehern hat am 1. September 2022 stattgefunden.

Bürgermeister Jörg Haseneier: „2021 bin ich in Boppard zum Bürgermeister gewählt worden, weil ich dafür angetreten bin, dass Schluss sein wird mit parteipolitischem Gezänk. Entscheidungen müssen transparent und gesetzeskonform erfolgen. Deshalb habe ich mich auch am 19. August an die Kommunalaufsicht gewandt, da zu diesem Zeitpunkt bereits absehbar war, dass die bisherige Veranschlagung der Dispositionsmittel rechtlich zumindest fragwürdig sein würde. Stadtverwaltung, Stadtrat und Ortsbeiräte müssen sich in einem rechtssicheren Raum bewegen. Das gilt auch für mich als Bürgermeister. Deshalb müssen diese Abläufe geklärt werden. Strafanzeigen gegen einzelne Ortsvorsteher zu stellen, wie es in der Vergangenheit vor meinem Amtsantritt erfolgt ist, ist nicht meine Art und Weise, solche Dinge zu regeln.“

Eingeführt wurde die Veranschlagung der Dispositionsmittel, die nun für rechtswidrig erklärt worden ist, erst im Jahr 2000. „Aus welchen Gründen auch immer“, so Bürgermeister Jörg Haseneier. Damals wurden sie unter dem Begriff „Verfügungsmittel“ im Haushalt aufgeführt, im Jahr 2001 wurden sie in „Dispositionsmittel“ umbenannt.

Insgesamt standen pro Jahr rund 50.000 Euro zur Verfügung. Über die Verwendung entschied jeder Ortsbeirat selbstständig, es erfolgte also keine Kontrolle durch den Stadtrat oder den Bürgermeister. Die Ortsbezirke konnten die jeweiligen Beträge in den vergangenen Jahren auch ansparen. Im Jahr 2022 belief sich die Gesamtsumme der vorhandenen Dispositionsmittel allein auf 211.592 Euro.

Wie der Stadt Boppard von der Aufsichtsbehörde nun mitgeteilt wurde, war diese jahrelange Praxis rechtswidrig. Bürgermeister Jörg Haseneier dazu: „Die Kommunalaufsicht hat die in der Stadt Boppard vor vielen Jahren eingeführte und bis dato gängige Praxis untersagt, Haushaltsmittel an die Ortsbeiräte als Dispositionsmittel zuzuweisen, über die diese im jeweiligen Haushaltsjahr frei und ohne Zweckbindung verfügen konnten. Ministerium und Kommunalaufsicht haben dieses Vorgehen als rechtswidrig bewertet, daran müssen wir uns als Stadt halten. Dies bedeutet nicht zwingend, dass die Ortsbeiräte künftig über keine finanziellen Mittel mehr verfügen können. Im Gegenteil: Dies kann auch in Zukunft der Fall sein, muss aber in einem rechtskonformen Rahmen geschehen. Darum werden wir uns schnellstmöglich bemühen, und dies muss auch in den kommenden Haushaltsberatungen berücksichtigt werden. Noch in diesem Monat werde ich den Ältestenrat und die Ortsvorsteher zu einer Besprechung einladen.“