Frage 1:
Städtepartnerschaften entstanden in den 50-er Jahren, um in internationalen Begegnungen Vorurteile abzubauen. Heute hat ein Viertel unserer Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Brauchen wir da noch Städtepartnerschaften, um fremde Mentalitäten kennenzulernen?
Antwort Bürgermeister Jörg Haseneier:
In der heutigen Zeit halte ich Städtepartnerschaften im Sinne der Völkerverständigung für wichtiger denn je. Durch unsere Städtepartnerschaften entwickeln sich Kontakte in unterschiedlichen Bereichen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern der jeweiligen Partnerstädte.
Das ist eine ganz hervorragende Gelegenheit für gelebte Völkerverständigung.
Mir wurde berichtet, dass in nahezu allen Partnerstädten enge und langjährige Kontakte und Freundschaften entstanden sind, die für die Beteiligten sehr kostbar und wertvoll sind.
Natürlich bestehen heutzutage individuelle Möglichkeiten, fremde Länder zu bereisen und fremde Mentalitäten kennenzulernen.
Dennoch haben Städtepartnerschaften auch heute noch ihren Sinn. Sicherlich auch auf eine etwas andere Art und Weise, als wenn man allein als Tourist reist.
Die Eindrücke und Erlebnisse bei den Jugendaustauschreisen und auch bei Besuchen von Freundeskreisgruppen in den Partnerstädten bleiben sicherlich in unvergesslicher Erinnerung.
Dies wurde mir schon mehrfach während meiner noch kurzen Amtszeit als Bürgermeister berichtet.
Städtepartnerschaften haben ganz vielfältige Bedeutung.
Letztlich fördern wir durch gegenseitiges Kennenlernen fremder Kulturen und Lebensweisen das Verständnis füreinander. Damit sicherlich auch die Voraussetzung für ein friedliches Miteinander, Völkerverständigung und den Weltfrieden.
In unserer derzeitigen Zeit umso wichtiger denn je.
Gerne möchte ich die Möglichkeit des Jugendaustauschs aufgreifen:
Das Gemeinschaftserlebnis, in einer Gruppe die Partnerstadt zu besuchen, ist etwas ganz Besonderes.
Beim Jugendaustausch reisen die jungen Menschen nicht als Touristen, sondern als DelegationsteilnehmerInnen, also als junge VertreterInnen der jeweiligen Partnerstadt.
Eine ganz besondere Aufgabe bzw. Mission, derer sich die jungen Leute bewusst sein sollten.
Letztlich wird ein Großteil der Flugkosten von der Stadt Boppard übernommen.
Dies macht die Reise sicherlich reizvoll - zeigt aber auch den besonderen Gedanken, der hinter der Reise steckt: die DelegationteilnehmerInnen vertreten die Stadt Boppard und sind "Botschafter" in der Partnerstadt.
Es ist sicherlich ganz wichtig, die jungen Leute entsprechend zu informieren
Frage 2:
Können Sie sich vorstellen, dass ein Mitarbeiter der Bopparder Stadtverwaltung für eine gewisse Zeit bei der Stadtverwaltung von Arroio do Meio hospitiert, und dass im Gegenzug ein Mitarbeiter der dortigen Stadtverwaltung nach Boppard kommt?
Antwort Bürgermeister Jörg Haseneier:
In einem der ersten Gespräche mit der zuständigen Sachbearbeiterin nach meinem Amtsantritt als Bürgermeister hatte ich diesen Gedanken bereits. Meine Überlegung war, ob wir zukünftig unseren Auszubildenden evtl ein Praktikum in einer unserer Partnerstädte anbieten könnten.
Ich bin offen für neue Ideen und neue Wege. Der Gedanke, dass MitarbeiterInnen für eine gewisse Zeit in der Stadtverwaltung der Partnerstadt hospitieren, klingt reizvoll und interessant. Ich bin da sehr offen und freue mich auf einen Gedanken- und Meinungsaustausch.
Frage 3:
Für junge Leute bei uns sind Reisen in andere Länder selbstverständlich geworden. Auch deswegen haben die Bopparder Freundeskreise, die die Städtepartnerschaften unterstützten, Probleme, junge Leute für ihre Sache zu begeistern. Sehen Sie konkrete Möglichkeiten der Kommunalpolitik, um das Engagement für unsere Städtepartnerschaften zu fördern?
Antwort Bürgermeister Jörg Haseneier:
Meine Wahrnehmung ist keineswegs, dass junge Leute nicht für die Städtepartnerschaften zu begeistern sind. Sicherlich ist bei Jugendlichen und jungen Menschen aufgrund ihrer Lebenssituation die Kontinuität einer Bindung an einen Verein oder Freundeskreis selten langfristig gegeben. Durch u.a. Studium, Ausbildung, Umzug in andere Städte und Regionen geht der Bezug zur Heimatstadt oftmals verloren.
Hier gilt zu überlegen, wie das Interesse an den Freundeskreisen und die Idee der Städtepartnerschaften für junge Menschen längerfristig attraktiver gestaltet werden kann.
Nicht zuletzt die Pandemie hat gelebtes Engagement verhindert. Auch hier gilt, neue Wege zu entwickeln. Ich bin zuversichtlich, dass dies gelingen kann.
Vielleicht können wir mehr in die Öffentlichkeit gehen und über die Städtepartnerschaften und auf die Möglichkeiten des Jugendaustauschs aufmerksam machen.
Gerade jetzt nach Entspannung der Pandemie gilt es, geeignete Informationswege zu finden.
Frage 4:
Seit zwei Jahren gibt es das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, nach dem Jugendliche aus Drittstaaten in Deutschland eine Berufsausbildung absolvieren können. Nicht nur Bopparder Handwerksbetriebe, Pflegeeinrichtungen und viele andere Branchen suchen händeringend Auszubildende. In Rio Grande do Sul gibt es viele junge Leute, die die sprachlichen Voraussetzungen für eine Berufsausbildung in Deutschland erfüllen würden. Nur, die Bopparder Betriebe wissen nichts von diesen Möglichkeiten. Kann die Stadtverwaltung hier gezielt in Arroio do Meio informieren und gleichzeitig Bopparder Betriebe ansprechen?
Antwort Bürgermeister Jörg Haseneier:
Corona hat in den letzten 2 Jahren viele gute neue Ansätze verhindert. Nun sehen wir Entspannung und diese Ideen sollten wieder aufgegriffen werden.
Ich bin offen für einen Dialog mit der Stadtverwaltung und dem Freundeskreis in Arroio do Meio. Wenn dort der Wunsch nach Ausbildungsmöglichkeiten in Boppard besteht, sind wir selbstverständlich von Seiten der Stadtverwaltung bereit, zu unterstützen und ein Netzwerk aufzubauen.
Sehr gerne werde ich dieses Thema aufgreifen und mit den Verantwortlichen in Arroio do Meio in Kontakt treten.
Wenn dort tatsächlich Interesse besteht, werden wir dies in entsprechender Weise thematisieren und die Bopparder Unternehmen und Betriebe informieren.
Frage 5:
Sehr vielen Brasilianer vor allem aus den südlichen Bundesstaaten und auch aus Arroio do Meio reisen nach Deutschland. Wäre es nicht an der Zeit, den Reisebüros in Arrioi do Meio Informationen über das touristische Angebot Boppards in portugiesischer Sprache zukommen zu lassen?
Antwort Bürgermeister Jörg Haseneier:
Die Tourist-Information in Boppard bietet touristische Informationen in deutscher, englischer, spanisch/italienischer und niederländischer Sprache an.
Aufgrund der langjährigen Städtepartnerschaft mit der Ome bei Tokio wurde die Image-Broschüre sogar in japanischer Sprache erstellt.
Die Überlegung, den Reisebüros in Arroio do Meio und der weiteren Region, Informationen über das touristische Angebot zukommen zu lassen, ist diskussionswürdig. Wir sollten mit den Verantwortlichen in der Partnerstadt über deren Einschätzung sprechen.
Frage 6:
Wird im Oktober wieder eine Bopparder Jugenddelegation nach Arroio do Meio fliegen?
Antwort Bürgermeister Jörg Haseneier:
Vor wenigen Tagen habe ich meinen Amtskollegen angeschrieben und u.a. gezielt gefragt, ob es auch deren Sicht möglich ist, im Herbst dieses Jahres eine Jugenddelegation zu entsenden. Ich bin gespannt auf die Antwort und Einschätzung. Es wäre ein sehr erfreuliches und optimistisch stimmendes Signal nach 2 Jahren Pandemie, wenn die Reise im Oktober 2022 stattfinden könnte.
Frage 7:
Wann werden Sie persönlich einmal Arroio do Meio besuchen?
Antwort Bürgermeister Jörg Haseneier:
Der Gedanke, die brasilianische Partnerstadt zu besuchen ist sehr reizvoll. Sicherlich wird sich in absehbarer Zeit die Möglichkeit ergeben. Vielleicht bietet sich bereits im Herbst dieses Jahres mit der Bopparder Jugenddelegation für mich die Gelegenheit, die Menschen in Arroio do Meio und unsere Partnerstadt kennenzulernen.